Die Krise ist noch länger nicht gegessen
Die Hoffnung auf ein V-Szenario, bei dem auf einen starken Wirtschaftseinbruch eine rasche Erholung folgt, hat sich leider nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil: Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die an der x-technik Umfrage teilgenommen haben, geht davon aus, dass es wohl länger als bis 2022 dauern werde, bis man keine negativen Nachwehen der Corona-Krise mehr spüre. Aber die schlimmste Talsohle dürfte zumindest in einigen Bereichen bereits durchschritten sein. Denn laut unserer Umfrage zeichne sich für das zweite Halbjahr teilweise ein leichter Aufwind ab. Das mag mitunter damit zu tun haben, dass die meisten geplanten Investitionen „nur“ verschoben und nicht aufgehoben wurden. Von Sandra Winter sowie Christof Lampert und Robert Fraunberger, x-technik
„Sofern keine zweite Welle entsteht, sehen wir entsprechend den Prognosen von Oxford Economics eine leichte Erholung im zweiten Halbjahr 2020. Wobei man sich allerdings bewusst sein muss, dass wir fern der Volumina von 2019 sein werden und das, obwohl es bereits 2019 bei ‚Produktion/Verbrauch International' einen Rückgang von 8 % gab“, versprüht beispielsweise Dr.-Ing. Stefan Hansch, CEO bei Emco, vorsichtig Zuversicht. „Von den Aktivitäten her ist das dritte Quartal bereits lebendiger als das zweite“, bestätigt auch Gerhard Melcher. Allerdings befinde man sich hinsichtlich des Auftragseingangs nach wie vor in der Talsohle. „In unserem Unternehmen werden wir 2022 wieder das Niveau von vor der Krise erreichen, in unserer Branche zwischen 2023 und 2025“, weist der Leiter Vertrieb, Zerspanung und Marketing bei Boehlerit darauf hin, dass der coronabedingte Konjunktureinbruch wohl noch länger nachwirke. Ganz ähnlich lautet die Prognose von Marc Schuler, Managing Director bei Dixi Polytool: „Wir glauben, dass die Indikatoren und Auftragseingänge ab September langsam wieder nach oben zeigen werden. Kurzfristig werden wir jedoch das Vor-Covid-Niveau bei weitem nicht mehr erreichen.“
Werkzeugmaschinenindustrie besonders hart getroffen
Wie der VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) Mitte August verlautbarte, sank der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie im zweiten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 46 Prozent. Wobei vor allem die Bestellungen aus dem Ausland empfindlich zurückgingen. Positivere Signale kommen von den beiden Frühindikatoren PMI (Purchase Managers Index) und Ifo-Geschäftsklima. Der weltweite PMI hat im Juli erstmals wieder an der 50-Punkte-Marke gekratzt, die für Wachstum steht. Der Anstieg kam laut VDW in dieser Form überraschend und vollzog sich auf breiter Basis, sowohl in China und den USA als auch in der Eurozone, z. B. in Deutschland, Frankreich und Italien. „Bis dies jedoch in der Werkzeugmaschinenindustrie – einer als Investitionsgüterhersteller spätzyklischen Branche – ankommt, wird es erfahrungsgemäß noch länger dauern. Entsprechend bleiben die Erwartungen der Branche für die kommenden sechs Monate daher gedämpft. Firmen, die in die Medizintechnik, die Elektronik sowie Teile des Maschinenbaus liefern, getrieben durch Digitalisierung und 5G-Ausbau, stehen etwas besser da“, kommentiert Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW, die ihm vorliegenden aktuellen Zahlen.
Ivan Filisetti, Präsident bei GF Machining Solutions zeichnet ein ähnlich differenziertes Bild: „Aufgrund der negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie erreichte die Nachfrage in der Werkzeugmaschinenindustrie insbesondere in Europa, aber auch in verschiedenen Marktsegmenten auf dem amerikanischen Kontinent, den niedrigsten Stand des letzten Jahrzehnts. Mehrere Sektoren in China, u. a. die zivile Luftfahrt und die Informations- und Kommunikationstechnologien, haben jedoch bereits wieder das Niveau des Vorjahres erreicht. Auch die Medizintechnikindustrie erwies sich als sehr widerstandsfähig in dieser Krise“, beschreibt er. Gut gerüstet für den Umgang mit so einer Krise zeigte sich auch der japanische Werkzeugmaschinenhersteller Yamazaki Mazak. „Wir profitierten von unserer hohen Fertigungstiefe und von der Tatsache, dass unsere Kollegen in den Fertigungsstätten Erdbeben- und Naturkatastrophen-erprobt sind und mit derart herausfordernden Situationen professionell umzugehen wissen“, erklärt Florian König, Niederlassungsleiter von Mazak Österreich.
Grundsätzlich zähle der Werkzeugmaschinenbau laut Sandro Bottazzo, Geschäftsführer der Fritz Studer AG, zu jenen Branchen, die besonders stark von der aktuellen Situation betroffen sind. Der Vorteil viele Maschinenbauer sei aber, dass sie gelernt haben, mit der Volatilität der Märkte umzugehen. „Ein wirtschaftliches Auf und Ab gehört in unserer Branche ein Stück weit zur Normalität“, schmunzelt er. Derzeit sehe er in einzelnen Märkten eine klare Steigerung der Aktivitäten. „Gerade auch das Customer Care-Geschäft zieht bei uns wieder stark an. Das zeigt, dass die Auslastung vieler Kunden wieder steigt“, schlussfolgert Bottazzo. Das Schlimmste habe der Maschinenbau bereits hinter sich. Das denkt auch Thomas Fietz, CEO bei Wedco: „Wir als Wedco hatten im Mai den größten Einbruch mit rund 50 % Umsatzverlust im Vergleich zum Vorjahres-Mai. Die Monate Juni und Juli waren überraschend gut mit 20 % hinter demselben Vorjahreszeitraum. Für den September erwarte ich bereits einen leichten Aufschwung, der sich dann hoffentlich durch das letzte Quartal stabil hält.“
Viele Unsicherheiten, die schwer zu managen sind
Worüber sich alle Teilnehmer an unserer Umfrage einig zeigten: Dass die Corona-Krise schwerer zu managen sei als jene in 2008/2009. „Die Finanzkrise ging vor allem von Banken und Finanzdienstleistern aus, einschließlich der Immobilienblase. Die Auswirkungen waren auch damals weltweit und branchenübergreifend spürbar, aber man konnte die Krise besser einschätzen und kalkulieren. Die Corona-Krise ist bis heute mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet, was es umso schwieriger macht, in Planungen und Investitionen zu gehen“, bringt Markus Horn, Geschäftsführer der Paul Horn GmbH die aktuell vorherrschende Problematik auf den Punkt. So habe man es laut Jürgen Baumgartner, Verkaufsleiter bei Iscar Austria, beispielsweise erstmals mit einer Krise zu tun, bei denen Mitarbeiter nicht nur um ihren Arbeitsplatz, sondern auch um ihre Gesundheit, bzw. die ihrer Familie, fürchten. „Eine Pandemie, die global die Gesundheit der Menschen gefährdet, Arbeitsweisen verändert, Nachfragemärkte einbrechen lässt und gleichzeitig sehr schwer unter Kontrolle zu bringen ist, ist eine völlig neue Situation, der man nicht mit Blaupausen begegnen kann. Außerdem ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefordert, um einen maximalen Schutz vor dem Virus bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines funktionierenden Wirtschaftssystems zu gewährleisten“, fasst Wolfgang Haumberger, Geschäftsführer der Haumberger Fertigungstechnik GmbH, das Besondere an der Corona-Krise in wenigen Sätzen zusammen.
Einen zweiten Lockdown gelte es, wenn irgendwie möglich, zu vermeiden. Darüber herrscht unter den Umfrageteilnehmern ebenfalls ein breiter Konsens. Im Worst Case wäre man aber mittlerweile besser vorbereitet auf so ein Szenario, wie u. a. Mag. (FH) Mario Haidlmair, Geschäftsführer der Haidlmair GmbH Werkzeugbau, bestätigt: „Weil wir gesehen haben, dass die von uns gesetzten Maßnahmen funktioniert haben. Gerade im Bereich Homeoffice haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht und das lässt uns einer zweiten Welle etwas gelassener entgegenblicken“, sagt er.
Wirtschaftlich betrachtet wäre eine weitere Welle allerdings schwerer zu verkraften, weil viele Unternehmen bereits durch den ersten Lockdown massiv geschwächt wurden. „Beide Krisen kamen wie aus dem Nichts. Corona hat aber auch die Gesellschaft verändert und wird uns noch über Jahre beschäftigen“, prophezeit Andreas Fill zum Abschluss. Dennoch habe diese Krise nicht nur schlechte Seiten. So habe man dadurch auch etwas mehr an „Erdung“ zurückgewonnen, wie der CEO der Fill GmbH es ausdrückt – und man erfreue sich jetzt oft an Dingen, die bis vor Kurzem noch selbstverständlich waren.
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